Sonntag, 13. März 2011

Vollkommenheit (Teil1)


Seit Monaten war ich nun angemeldet, in der Internet Community, ohne dass sich etwas Bemerkenswertes tat. Ich wusste eigentlich auch nicht was ich erwarten sollte und ging diesen Schritt nur um mit der Zeit zu gehen, denn waren nicht alle irgendwie vernetzt - mit Gott und der Welt?
Ich wollte nur dazugehören und insgeheim hoffte ich vielleicht doch irgendetwas zu finden. Vielleicht etwas wonach ich vergessen hatte zu suchen? 
Was immer es auch sein mochte.
Doch heute war alles anders. Als ich aus meinem Büro nach Hause kam machte ich mir den obligatorischen Kaffee, während in der Zwischenzeit mein Rechner hochfuhr, nahm mir eine Zigarette aus der Schachtel und schlenderte zufrieden, um die folgende Entspannung wissend, ins Wohnzimmer. Nach drei Klicks öffnete sich mein Mailpostfach um mir eine gewaltige Anzahl von Spams und Nichtigkeiten zu offenbaren, welche ich umgehend in den Papierkorb verbannte – wie jeden Tag.
Doch dann fand ich dort, zwischen „… Paula Klunke hat Ihr Foto kommentiert, Peter Lange lädt Dich ein zu der Veranstaltung „Tanzen für den Amazonas“ und diversen weiteren Unwichtigkeiten, eine Nachricht mit einer Absenderin welche mich das Schlucken des Kaffees vergessen lies, so dass er mir aufs Hemd tropfte.  
Lena Kostatinowa las ich zwischen all den Schinkes, Müllers und Hausmanns. Kostatinowa - ein Name der mir umgehend Schauer durch den Körper jagte, ein Name der mehr als nur die Bennenung einer Person darstellte. Es war ein Name der für mich etwas mit Entdecken und Selbstfindung zu tun hatte. Gleichzeitig mit Demütigung und Glück. Eine eigenartige Verbindung, ich weiß. Aber es war etwas was mich lange Zeit begleitete, was immer noch in mir wohnt und was ich zu verdrängen versuchte – über viele Jahre mittlerweile. Nie habe ich es auch nur ansatzweiße gewagt meiner Psychologin davon zu berichten als sie auf der Suche nach der Ursache meiner Unvollständigkeit war, als angenommene Ursache meiner Depressionen. Zu unangenehm war der Gedanke davon berichten zu müssen und mich ihr zu offenbaren – einer fremden Frau.
Das Gefühl welches nun in mir aufsteigt, nur wenn ich den Namen lese, zeigt mir dass es jedoch offenbar immer noch ein Teil von mir ist.
Meine andere, verborgene und verlogene, Hälfte meines Ichs.

Meine Eltern waren damals beruflich in Russland tätig. Jedoch soweit außerhalb dass ich keine internationale Schule sondern weit draußen im Nichts eine ganz gewöhnliche Dorfschule besuchen musste. Mein Vater war der Meinung dass es auch nichts schaden könnte die Sprache und Geflogenheiten des Landes von kleinauf  zu erfahren, da dies ein großer Markt sei und ich mir damit, für später, Vorteile erarbeiten könnte. Letztendlich hatte er irgendwo recht aber als zwölfjähriger, ohne großes Wissen um die Sprache des Landes da hineingeworfen zu werden war auch nicht das was man sich als Kind wünscht. Irgendwie kam ich dann aber schon zu Recht, mehr oder weniger, fügte mich in die Klasse ein und war letztendlich ein Teil davon, wie jedes andere Kind auch.
Bis zu diesem Tag, in der achten Klasse, der irgendwie alles verändern sollte. 
Nicht unbedingt nach außen, sondern eher für mich selbst.

Ich öffnete die Seite der Community und las die Nachricht.

Hallo Thomas,
ich hoffe Du kannst Dich an mich erinnern!
Was heißt hoffen, ich bin mir sogar sehr sicher dass Du Dich an mich erinnerst, denn ich und meine Freundinnen hatten ja sehr viel Spaß mit Dir. Und aus dieser Erfahrung heraus und dem Wissen dass Du Dich sicherlich nicht geändert hast (wie solltest Du auch, es ist schließlich Deine Bestimmung!) bist Du eigentlich genau dass wonach ich suche. Ich bin zu einem Kongress in Deiner Stadt eingeladen und leider konnte meine Firma kein freies Zimmer mehr buchen, da zum gleichen Zeitpunkt zwei Messen und mehrere andere Kongresse angesetzt sind. Daher suchte ich im Netz nach Dir, denn ich glaube mir kann nichts Besseres passieren, und Du darfst dankbar sein dass ich mich an Dich erinnere. Deinem Profil zufolge bist Du Single – also ist alles bestens! Ich reise am 12. des folgenden Monats an und bleibe bis zum 16. in der Stadt. Du hast demzufolge noch zwei Wochen Zeit alles zu planen und eine Unterkunft sowie  Verpflegung, inkl. Wellness, zu organisieren. Weiterhin verlange ich dass Du mir während der Tage rund um die Uhr zur Verfügung stehst! Als Fahrer, Diener, Masseur und wozu Du noch geschaffen bist. Details sowie die Ankunftszeit am Flughafen folgen noch.
Lena Kostatinowa

Lena Kostatinowa. Die Tochter meiner Sportlehrerin, welche mit mir zusammen die Schule besuchte!
Ich wusste gar nicht wie mir geschah, legte mich aufs Sofa, schloss die Augen und war nach kurzer Zeit völlig im gestern, tagträumend, dem Alltag entschwunden.

… es weckte dieses verloren geglaubte Verlangen in ihm, küsste seine innersten Sehnsüchte wach, von denen er nicht wusste ob er diese zulassen sollte.

Es begann damals in seiner Schulzeit, als ein ihm völlig unbekanntes Gefühl. Als eine Regung welche er nicht einzuordnen wusste, welcher er sich jedoch ergab ohne zu erahnen dass selbige etwas in ihm freilegen würde, was ihn sein weiteres Leben begleiten und an diesem Tag in seinem ersten Erguss enden sollte.

Er war in seiner Schule nicht gerade als Freund der Mädchen bekannt und stichelte gegen diese wo immer er konnte. Keine Möglichkeit lies er aus diese bloßzustellen, sie zu verhöhnen und seine Streiche kannten keine Schmerzgrenze. Es war seine Art sich in der Gruppe der Jungen zu profilieren, sich einen Ruf aufzubauen.
Einen Ruf von einem ganzen Kerl – so meinte er zumindest.

Doch an diesem, verregneten Novembertag war er wohl doch zu weit gegangen und das Schicksal meinte es nicht gut mit ihm, als er auf der Flucht vor den Mädchen mit seinem Rad auf dem matschigen Weg stürzte und in die Fänge seiner Lehrerin Katharina Kostatinowa geriet.

Ihm wird plötzlich ganz heiß und eine innere Unruhe befällt ihn, als der Name der Sportlehrerin in seine Gedanken zurückkehrt.

Sie war Ende dreißig und von makelloser Gestalt, welche sie gekonnt durch ihre Kleidung zu betonen wusste. Ihr pechschwarzes Haar trug sie meist straff nach hinten gebunden, was ihr adelsgleiches Gesicht betonte, ihm eine gewisse Strenge gab. Ein Gesicht welches wie aus Marmor gemeißelt schien, mit fehlerfreien Konturen.

Thomas lag auf dem Boden, im Matsch des Weges. Sein Knie schmerzte und vor oder besser gesagt halb über ihm stand, statuengleich und drohend, Katharina Kostatinowa.
Sie trug hohe Schaftstiefel welche unter dem knielangen, taillierten Ledermantel ihre wundervollen Beine fest umschlossen. Der Mantel spannte glänzend über ihren Brüsten und  ihr gesamtes Erscheinungsbild lies nichts gutes Erahnen, insbesondere wenn er ihre Blicke zu deuten glaubte.

„ Wen haben wir denn hier?! Den kleinen, jämmerlichen Thomas! Den erbärmlichen Versager, der meint Jungs seien etwas Besseres als Mädchen. Heute hast Du den Bogen überspannt und Du wirst dafür bezahlen.
Das wirst Du - glaube mir!“

Ein höhnisches Lachen machte sich in ihrem Gesicht breit, als ich die Schritte der sich nähernden Mädchen vernahm.
Was nun folgen sollte werde  ich wohl nie wieder vergessen!

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